Eine Idee wird zur Leidenschaft: Wie alles entstand

Ich laufe gerne und häufig durch Wälder und an Stränden. Sie erfüllen mich mit einem Wohlgefühl, das ich mit Kraft, Ursprünglichkeit und kreativer Schöpfung zu erklären versuche.

2010 fiel mir bei der Betrachtung eines Wanderzeichens auf, dass es immer anders aussah, obwohl es ursprünglich mal mit ein und derselben Schablone und mit denselben Farben auf die Baumstämme  gemalt oder gespritzt worden ist. Das Wachstum dieser Bäume in Breite und Höhe, die Struktur der Rinde, der Wind, die Sonne, der Regen, der Einfluss von Tieren etc. haben über die Zeit aus einem immer gleichen Eingriff des Menschen in die Natur eine immer anders wirkende Kreation gemacht. So bewahrt sich die Natur ihre eigene kreative Kraft. Der Eindruck verstärkt sich noch, je näher man rangeht.

Als nächstes fielen mir die Markierungen der Waldarbeiter ins Auge. Sie benutzen in der Regel Leuchtfarben aus Sprühdosen, um ihre Signale auf Bäume zu bringen: Fällen, sägen, schützen, entlangfahren, lagern, nummerieren, signieren, transportieren etc., ob auf  Rinden, Schnittflächen oder Holzstapeln. Wenn dann noch unterschiedliche Farben auf interessant strukturierten oder gesägten Holzflächen zusammen kommen, wird es so richtig kreativ. So werden Bäume unbewusst zu Leinwänden durch Menschen, die eigentlich nur informieren oder markieren wollten.

Diese „Kreationen“ ziehen mich magisch an. Entdecke ich darin eine besondere Ästhetik, Ausdruckskraft, Kreativität, Individualität, Symbolik oder abstrakte Schönheit, dann bestimme ich den Ausschnitt, die Perspektive oder den Lichteinfall, um es mit der Kamera festzuhalten. Einige Motive sind aufgrund der Leuchtfarben zu grell, andere wiederum durch Verwitterung zu blass. Hier reguliere ich dann am Computer die gewünschte Ausstrahlung so, dass sie meinem Ideal-Bild entspricht, jedoch ohne jemals das Motiv zu verändern oder gar selber Bilder anzulegen.

Baumbilder

Mit der Zeit habe ich das Spektrum der Motiv-Wahl deutlich über den Einsatz der Signal-Farbe am Baum ausgedehnt. Wenn ich mich auf das Thema Baum fokussiere, dann kann der unbewusst kreative Eingriff des Menschen auch Einfluss nehmen auf Sägeflächen, Wurzelstrukturen, Maserungen oder Bruchstellen. Hier entstehen  spannende Perspektiven und Motive, die dann in der Verarbeitung zu beeindruckenden Bildern werden.

Dabei erschließen sich mir teils völlig abstrakte, teils aber auch recht konkrete Motive, je nachdem, was ich darin entdecken will. Erstaunlich ist hier die anscheinend unendliche Vielfalt an Möglichkeiten, die das Zusammentreffen von Mensch und Natur bietet. Genauso erstaunlich sind die sehr unterschiedlichen Vorlieben der Menschen für die Motive. Während sich die einen ganz besonders durch spannende Farben oder abstrakte Strukturen angesprochen fühlen, präferieren die anderen z.B. schwungvolle Sägemahle, figürliche Bilder oder Serien ähnlicher Motive.  Da bleibt viel Platz für immer wieder neue Bilder – vorausgesetzt man findet sie und fängt sie kreativ ein.

Sandbilder

„Wir sind schon hunderte Male am Strand über Strukturen gelaufen, die durch Ebbe und Flut, Wellen und Strömungen, Wind und Wetter, Sand und Algen, Tiere und Menschen gebildet werden und haben darin niemals irgend ein interessantes Motiv entdeckt, was sich zu fotografieren lohnt. Jetzt, nachdem wir die ‚Sandbilder‘ kennen gelernt haben, sehen wir plötzlich den Strand mit ganz anderen Augen“.

Das ist mir selbst früher so gegangen und geht den meisten Menschen so. Die Kunst ist es, spannende Ausschnitte in den Sand-Strukturen zu entdecken und zu warten, bis das Licht diese Gebilde so richtig in Szene setzt. Denn die Schatten der Morgen- oder Abendsonne verwandeln vermeintlich langweile Flächen in perspektivische Skulpturen oder Szenarien. Wichtig dabei ist, dass der Strand bzw. Sand drum herum nahezu makellos ist, um die Ästhetik nicht zu stören. Ferner ist das Gefälle des Strandes und die Sand-Beschaffenheit dafür verantwortlich, ob sich z.B. durch abfließendes Wasser Rillen zu abstrakten oder konkreten Figuren bilden. Und dann sind da noch die Tiere, die ganz erstaunlich symmetrische oder kreative Muster im Sand hinterlassen. Die Optionen auf schöne, überraschende Motive sind nahezu unbegrenzt – es gibt noch viel zu entdecken.

Fotografieren

Ich bin kein Foto-Profi.  Es sind einmalige Momentaufnahmen, häufig  entstanden an unzugänglicheren und schwer wieder zu findenden Stellen, immer ohne Stativ geschossen, begünstigt durch den aktuellen Lichteinfall oder das Wetter und immer so authentisch belassen, wie ich sie vorgefunden habe. Die Attraktivität der Motive kann nicht über die technische Qualität der Fotos definiert werden. Vielmehr ist der subjektive, individuelle, eher emotionale Eindruck entscheidend, ob das Motiv den Betrachter begeistert oder unberührt lässt.

Fotobearbeitung

Die Fotobearbeitung auf dem PC folgt einer klaren Maxime: Keine Veränderung des Motivs! Modifikation an Ausschnitt, Kontrast oder Intensität nur dann, wenn es die Wirkung des Gesamteindrucks aus meiner Sicht positiv unterstützt    

Die Galerien

Bei der Vielseitigkeit aller Motiv-Optionen bietet es sich an, Orientierungshilfen zu bieten. Dabei habe ich neben der Unterscheidung in die beiden Kategorien „Baumbilder“ und „Sandbilder“  Galerien gebildet, die den Ursprung oder die Gemeinsamkeiten der Motive zum Ausdruck bringen sollen.

So gibt es z.B. bei den Baumbildern die Galerie „Signale“, die primär in Leuchtfarben aufgesprühte Botschaften von Forstarbeitern und Wegmarkierern zusammenfassen. Oder die Galerie „Sägemale“, ungewöhnliche Strukturen und Formen, die über den individuellen Einsatz von Sägen im Wald entstehen. Oder die Galerie „Fächer“, faszinierende Facetten auf Schnittflächen von Bäumen, die durch Pilzbildung entstehen.

Das gilt auch für die Sandbilder, wo z.B. die Galerie „Sandschatten“ dadurch geprägt ist, dass dunkle Partikel aus abgestorbenen Algen oder von Landwirtschaftsböden in Kombination mit Wellen, Strömungen und Sand-Strukturen alle möglichen Bilder entstehen lassen. Oder die „Sandbäume“, wo ablaufendes Ebbe-Wasser Strauch-, Baum- oder Wald-Motive im Sand entstehen lassen. Oder „Sandspiralen“, die durch kleine Krabben an pazifischen Stränden gebildet werden, indem sie auf der Nahrungssuche kleine Kügelchen bilden, die sie spiralartig um sich herum verteilen. Oder, oder … 

Fazit

Teilen Sie mit mir die Begeisterung für die Kreativität in der Natur und ihre eher zufälligen, kleinen Kunstwerke. Sie existieren mal in abstrakten Motiven, mal in konkreteren Formen oder Strukturen, je nachdem, wie sie sich dem persönlichen Betrachter erschließen. Das Potenzial ist unerschöpflich, ein attraktives Motiv jedoch sehr selten. Von hundert Fotos landet eines in der Selektion meiner Bilder, und davon auch wiederum nur eine kleine Zahl in den Galerien. Aber es gibt noch so viel zu entdecken! Ich freue mich jetzt schon auf jede neue Inspiration und Überraschung, die die Natur bereit hält.

Hermann Ufer